(Aus dem Buch von Andrea Schwiebert "Kluge Köpfe, krumme Wege? Wie Hochbegabte den passenden Berufsweg finden", Paderborn: Junfermann Verlag 2015, S. 45-49 - www.andrea-schwiebert.de)
In der nun folgenden „Checkliste“ finden Sie eine Auflistung von Anzeichen einer Hochbegabung. Es handelt sich dabei nicht um einen „Selbsttest“, der die Höhe Ihres IQ nennen wird. Aber Sie werden anhand dieser Auflistung wahrscheinlich feststellen können, ob Hochbegabung „Ihr Thema“ ist oder nicht. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Da die Literatur zum Thema Hochbegabung sich größtenteils auf Kinder bezieht, sind viele allgemein anerkannte Indizien auf Kinder im Vorschul- und Schulalter bezogen (verwendete Quellen zu den Anzeichen für Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter: Mähler & Hoffmann, 1998; Simchen, 2005). Wenn Sie sich die Merkmale im ersten Teil der Auflistung anschauen, sollten Sie sich also fragen: Wie war ich als Kind? Welche dieser Auffälligkeiten trafen damals auch auf mich zu?
Im zweiten Teil geht die Auflistung stärker auf Auffälligkeiten bei hochbegabten Erwachsenen ein. Hier stützt sich die Auswahl der aufgeführten Indizien auf die wenige bisher vorhandene Literatur zu erwachsenen Hochbegabten (verwendete Quellen zu Anzeichen für Hochbegabung im Erwachsenenalter: Brackmann, 2012; Fietze, 2010; vom Scheidt, 2004) sowie auf eigene Beobachtungen.
Je mehr Indizien zutreffen, desto wahrscheinlicher ist eine Hochbegabung. Herausragende Fähigkeiten sind für das Vorliegen einer Hochbegabung besonders aussagekräftig und somit schwerer zu gewichten als Auffälligkeiten im Verhalten oder in der Persönlichkeit, die nicht zwingend vorhanden sein müssen.
In der Checkliste sind sowohl besondere Fähigkeiten, als auch Eigenschaften und spezielle Schwierigkeiten aufgeführt, die sich bei vielen Hochbegabten beobachten lassen. Diese umfassende Betrachtung von Hochbegabung macht die Liste lang – eröffnet aber wiederum die Möglichkeit, sich ein Bild der vielen Facetten und Auswirkungen von außergewöhnlicher Begabung zu machen und diese ggfs. als Muster wiederzuerkennen, das das eigene Leben durchzieht.
I) Kindheit und Jugend
Eine Hochbegabung entwickelt sich früh. Schon hochbegabte Säuglinge scheinen eine besondere Reizoffenheit und gleichzeitig ein hohes kognitives Potenzial mitzubringen, so dass sie von Anfang an viele Reize aufnehmen und besonders schnell und intensiv verarbeiten. Folgende Auffälligkeiten zeigen sich häufig schon in der Kindheit:
A) Vom Säuglings- bis zum Kindergartenalter
Einige Säuglinge haben schon in den ersten Lebenswochen einen besonders „wachen“ Blick, lächeln und kommunizieren auffallend früh.
Manchmal gibt es Auffälligkeiten im Schlafbedürfnis: Das Kind schläft deutlich weniger oder deutlich mehr als die meisten Gleichaltrigen.
Frühes Sprechen
Überspringen einer Entwicklungsphase, z. B. des Krabbelns oder der Babysprache
Schon vor der Einschulung aus eigener Motivation lesen/schreiben/rechnen
Frühes Interesse an philosophischen Fragen
Gutes Gedächtnis
Manchmal kein Interesse an altersgemäßen Beschäftigungen, z. B. im Kindergarten
Oft ist die geistige Entwicklung der emotionalen/physischen Entwicklung voraus.
B) Grundschul- und Jugendalter
a) Lernen und Denken:
Schnelles Erfassen von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, vielschichtiges Denken, gutes Abstraktionsvermögen
Hohes Detailwissen in bevorzugten Bereichen
Ungewöhnlich ausgeprägter Wortschatz und sprachlicher Ausdruck
Hohes Lerntempo, gute Konzentrationsfähigkeit
Bevorzugung selbstständiger, unabhängiger und kreativer Arbeit sowie hoher Ziele
Nutzung ungewöhnlicher Lösungswege
b) Arbeitsverhalten und Interessen:
Starke Vertiefung in aus eigener Motivation gewählte, dabei manchmal sehr ungewöhnliche Projekte
Sehr gute Selbstmotivation
Perfektionistische Ansprüche an sich selbst und an andere
Große Neugier, viele Interessen
Lesebegeisterung (Bücher, die weit über dem Altersniveau liegen)
Kreative Ideen einbringen / Fantasie
Sich gern mit philosophischen oder anderen abstrakten und komplexen Themen beschäftigen
c) Schule:
Leicht erzielte auffällig gute Noten (aber nicht jeder Hochbegabte ist ein guter Schüler und nicht jede gute Schülerin ist hochbegabt)
Langeweile bis hin zur Arbeitsverweigerung bei Routineaufgaben
Manchmal kein Interesse am Schulstoff der Jahrgangsstufe
Manchmal Stören der anderen Kinder, um Aufmerksamkeit zu erlangen (Klassenclown)
d) Sozialverhalten/Umgang mit anderen Menschen:
Kritisches Hinterfragen von Autoritäten und Normen/eigene Meinung vertreten/starker Individualismus/Hinterfragen der Geschlechterrollen
Sensibilität/Ernsthaftigkeit
Ausgeprägtes Gerechtigkeitsempfinden und Einfühlungsvermögen
Manchmal Wahl deutlich älterer Freunde und Gesprächspartner
Bevorzugung verbaler gegenüber körperlicher Auseinandersetzungen
Neigung dazu, über Situationen zu bestimmen
Intellektuell sehr weit entwickelt, emotional aber auf alterstypischem Niveau
Oft (nicht in allen Fällen!) Gefühl von Isolation und Einsamkeit/Außenseiterposition durch andere Ausdrucksweise, den hohen Leistungsanspruch an sich und andere sowie abweichende Interessen
II) Anzeichen einer Hochbegabung bei Erwachsenen
a) Einige wesentliche Kindheitserinnerungen passen zu den oben genannten Auffälligkeiten
b) Bildung
Äußere Anzeichen für eine Hochbegabung können sein: ein abgeschlossenes Hochschulstudium, eine Promotion (sie zählt in vielen Studien als Indiz für einen IQ über 130), sehr gute Abschlussnoten (es gibt aber auch Hochbegabte ohne Schulabschluss bzw. ohne abgeschlossene Ausbildung!)
c) Denken und Lernen
Schnelle Auffassungsgabe, schnelles Erkennen von Zusammenhängen, die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einnehmen zu können
Hohes Lerntempo
Manchmal ein sehr gutes und weit zurückreichendes Gedächtnis
Bevorzugtes Arbeiten und Lernen aus Eigenmotivation, an selbst gewählten Aufgaben bzw. zu selbst gewählten Themen/hierbei Phasen der Versunkenheit mit Verlust des Zeitgefühls
Eine Vielzahl mit Leichtigkeit erworbener Fähigkeiten: z. B. Beherrschen mehrerer Fremdsprachen, des Spiels mehrerer Musikinstrumente o. a.
Ideenvielfalt/Originalität der Lösungsideen, Kreativität, Erfindungsreichtum/Freude am eigenständigen Weiterentwickeln von Gedanken
Schwierigkeiten bei einfachen Aufgaben, Leichtigkeit bei komplizierten Aufgaben
Vorauseilendes Denken, Ungeduld und Langeweile, Ablenkbarkeit
d) Persönlichkeit, Verhalten, Umgang mit sich selbst und mit anderen Menschen
Vielschichtige, manchmal widersprüchliche Persönlichkeit
Häufig: Grundsätzliche Selbstwirksamkeitserwartung „Ich krieg das schon hin!“
Dennoch ebenso häufig: Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, der eigenen Person, den gesetzten Zielen, auch an der eigenen Intelligenz (Fokus auf das, was man nicht kann und nicht weiß) – manchmal im Wechsel mit Selbstüberschätzung
Perfektionismus: überhöhte Erwartungen an sich selbst und andere
Absurder Humor/Fähigkeit zur Selbstironie
Starkes Einfühlungsvermögen/hohes Mitgefühl
Fähigkeit zur Selbstexploration
Häufig nicht fähig zu Small Talk/Neigung zu Monologen/in der Begegnung mit intellektuell ähnlich Begabten: häufig schneller Einstieg in tiefe Gespräche
Oft intuitive Wahl ebenfalls hochbegabter Freunde/Partner (Hochbegabte erkennen einander sehr oft, entwickeln sozusagen einen „Riecher“ dafür, wer ihnen „das Wasser reichen“ kann)
Hohe Ansprüche an Freundschaften und Beziehungen
Oft ausgeprägter „Charme“, der leichte und intensive Kontakte zu Fremden ermöglicht; dennoch immer wieder Phasen der Einsamkeit/des Rückzugs
Häufig eine gesteigerte Sensibilität/hohe Reizempfindlichkeit: Lärm, Gerüche, Berührungen, Schmerz, visuelle Eindrücke und Stimmungen werden ungewöhnlich intensiv wahrgenommen und verarbeitet
Starke Emotionen, Dünnhäutigkeit, Gefühlsausbrüche, Stimmungsschwankungen
Hinterfragen von Autoritäten und Hierarchien, Nonkonformismus, nachdrückliches Vertreten persönlicher Meinungen
Sich falsch fühlen in dieser Welt, „wie von einem anderen Stern“
Schon früh die Sorge entwickeln, die eigene Lebenszeit könne zu kurz sein, um geplante Werke und Aufgaben zu vollenden
Schnelles Aufgeben von dem, was nicht auf Anhieb gelingt (da in der Kindheit und Jugend die Erfahrung vorherrschte, dass einem „alles zufällt“)
Häufig hohe Eigenverantwortlichkeit, oft aber auch Kompromisslosigkeit und Uneinsichtigkeit
e) Interessen und Werte
Vielseitige Interessen und Abneigung gegen Wiederholung
Kreatives künstlerisches Potenzial (Kunst, Musik, Poesie/Literatur, Tanz, Theater/Film ...)
Aufgrund der vielen Interessen, Talente und Perspektiven: Schwierigkeiten bei der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung
Häufiges Lesen, intensive Nutzung des Internets (z. B. für Recherchen)
Großer Freiheitsdrang
Große Bedeutung bestimmter Ideale und Werte wie z. B. Gerechtigkeit, Liebe zur Natur, Respekt vor anderen Kulturen u. a.
Neigung, gegensätzliche und extreme Erfahrungen machen zu wollen und dabei auch Risiken und Belastungen nicht zu scheuen/Wunsch, das Leben von all seinen Seiten kennen zu lernen und eigene Erfahrungen zu machen, statt sich mit dem dokumentierten Wissen anderer zu begnügen
f) Arbeit und Beruf
Hoher Ehrgeiz in der Verfolgung von Zielen oder aber Frustration wegen der Unfähigkeit, sich für ein Ziel zu entscheiden
Starke Abhängigkeit des Lebensgrundgefühls von der Umsetzung der eigenen Begabungen und Werte
Evtl. mehrere Brüche in der Bildungs- und Berufsbiographie
Hohe Ansprüche an den Job und an Vorgesetzte/Tendenz zur selbstständigen Tätigkeit
Häufig wird beruflicher Erfolg erlangt, das Berufsleben ist aber nicht selten von Unzufriedenheit und wiederkehrenden Problemen gekennzeichnet. Als Beispiele seien genannt:
Verbesserungsvorschläge, kritische Anmerkungen, ungewöhnliche Arbeitsmethoden und vorauseilendes Denken stoßen bei Kollegen und Vorgesetzten vielfach auf Unverständnis oder Ablehnung
In der Selbstwahrnehmung werden die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten stärker gewichtet als Erfolgserlebnisse
Der Job wird als zu wenig „weltbewegend“ empfunden
Oftmals eine ausgeprägte Abneigung gegen Routinetätigkeiten des alltäglichen Lebens und Arbeitens
Originelle Ideen, aber seltener der „lange Atem“, um diese auch detailliert umzusetzen
Manchmal Unfähigkeit zur Teamarbeit
g) Weitere Hinweise auf eine Hochbegabung
Nicht zuletzt sind auch die eigenen Kinder, bei denen eine Hochbegabung festgestellt worden ist, oft ein Hinweis darauf, dass die Eltern selbst hochbegabt sein könnten, denn bei allen Umwelteinflüssen, die zur Entfaltung oder aber zum Zurückhalten von Begabungen beitragen können, scheinen doch auch die Gene eine große Rolle zu spielen. Gerade unwissentlich hochbegabte Frauen, die die eigene Karriere zugunsten ihrer Kinder in den Hintergrund gestellt haben und ihre ganze Energie darauf verwenden, ihre begabten Kinder möglichst gut zu fördern, sind häufig wie vor den Kopf gestoßen, wenn sie sich ihrer eigenen Hochbegabung bewusst werden.
Mit der Erkenntnis umgehen
Wenn Sie beim Lesen der Checkliste eine große Übereinstimmung mit eigenen Erfahrungen festgestellt haben, spricht viel dafür, dass Sie selbst hochbegabt sind.
Vielleicht reicht Ihnen dies nicht an Sicherheit oder vielleicht haben Sie sich auch nicht so deutlich in der Checkliste wiedererkannt? Dann kann es hilfreich sein, sich an eine auf das Thema Hochbegabung spezialisierte Beratungsstelle zu wenden und dort Ihre offenen Fragen zu thematisieren.
Anmerkung von unIQate: Wir bieten derzeit unseren Service zur 'IQ-Messung Online' leider nicht an, aber im EXPERTORY finden Sie kompetente Begabungsdiagnostiker*innen. Darüber hinaus können Sie sich jederzeit zu einer Gruppentestung bei Mensa e.V. anmelden.
Ein frustrierendes Unverstaendnis warum der Kommunikationspartner einer wenig komplexen mathematisch deutlich erkennbaren Logik auch nach langwieriger Diskussion nicht folgen kann und dies zuweilen zur Herunterbutterung der eigenen Wenigigkeit mittels themenabweichender Polemik fuehrt.Eine Aehnlichkeit mit Hierachiekaempfen von Primaten laesst sich nicht explizit ausschliessen.